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China hebt ab

王朝英语沙龙·作者佚名  2007-01-10
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Die Wirtschaft wächst um acht Prozent, 250 Millionen Menschen suchen Arbeit: Im Zeitraffer wird die Volksrepublik zur Industrienation - und muss soziale Probleme lösen, wie es noch nie gab

Die Inneneinrichtung Ton in Ton, das Licht indirekt und warm, die Serviererinnen in grüner Seide: Chen Zhangliang empfängt im Separée eines modernen Pekinger Geschäftshotels. Der Mann im feinen Anzug kommandiert, als sei er der Herr im Haus. Tatsächlich gehört das Hotel auch nicht Hyatt oder Kempinski, sondern der Landwirtschaftsuniversität mit 14000 Studenten, die der 42-jährige Biogenetiker leitet.

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Chen, Typ nervöser Südchinese, redet Englisch ohne Schnörkel und ohne Unterlass. Aber nicht von Labororganismen, sondern von 100000 Chinesen, die jährlich im Straßenverkehr sterben. Das sind furchtbar viele, wenn man bedenkt, dass bisher nicht einmal jeder hundertste Chinese Auto fährt. Diese Glücklichen aber fahren wie die Henker. Chen schließt für einen Moment die Augen.

Außerhalb des Regierungsviertels rund um den Platz des Himmlischen Friedens wird die Polizei auf den breiten Straßen Pekings kaum beachtet, und auf den holprigen Wegen draußen im Land schon gar nicht. Autofahren bedeutet Freiheit, jeder braust umher, so gut er kann. Die Eigentümer moderner Karossen teilen sich die Straßen mit Bauern auf ihren Traktoren und Blaumännern in alten Kommunistenlastern. Wo es keine Extraspuren gibt, stoßen noch die Fährrader und Rikschas dazu. Der Stärkere gewinnt.

Chen ist im Nebenjob ein ranghoher Abgeordneter im Nationalen Volkskongress – und stolz auf die Arbeit seines Ausschusses. Früher sei man ein Ja-Sager-Parlament gewesen, jetzt nicht mehr. So hätten die Abgeordneten durchgesetzt, dass Autofahrer ab sofort von Gesetzes wegen herangezogen werden, wenn sie einen Fußgänger verletzen. Außerdem wollte man die langsamen Traktoren von den großen Straßen fern halten. Das aber versetzte die Landbevölkerung und somit den Agrarminister in Aufruhr. Der Kompromiss: Für Traktoren mit Anhänger ist künftig das Innenministerium zuständig, sie brauchen eine teure polizeiliche Zulassung. Einfache Traktoren, die nur von Feld zu Feld tuckern, sind weiter Sache der Landwirtschaftsbehörde und frei von allen Auflagen.

Chen breitet die Arme aus. Die Frage sei schnell und pragmatisch abgearbeitet worden, ohne dass die mächtige Parteispitze sich eingemischt hätte. Willkommen im neuen China.

Vor einem Vierteljahrhundert schickte Deng Xiaoping als faktischer Landesherr das größte Volk der Erde auf den langen Marsch in den Kapitalismus. Reich werden sei erstrebenswert, gab er später als Motto aus, aber nicht alle könnten auf einmal reich werden – nicht alle Regionen und nicht alle Menschen. In diesem Plädoyer für Ungleichheit, das auch heute noch jeder Chinese kennt und fast jeder akzeptiert, steckt das Versprechen, dass irgendwann alle zu Wohlstand kommen.

Davon ist gegenwärtig wenig zu sehen. In den Städten wächst der Wohlstand dank eines Dauerbooms schnell, während mehr als 700 Millionen Chinesen auf dem Land mit sinkenden Durchschnittseinkommen leben müssen. Dass China bald zu einer führenden Wirtschaftsnation aufsteigen wird, ist fast sicher. Derzeit entscheidet sich, welche Spielart des Kapitalismus sich durchsetzt.

Charles Zhang Chaoyang, bekannt als „Chinas Bill Gates“, hat eindeutig die freiheitliche Variante im Kopf. Er predigt den Segen freier Märkte, die am besten „entscheiden, was funktioniert“. In seinem Internet-Unternehmen Sohu.com in der Pekinger Innenstadt sieht es aus wie in einer kalifornischen Netzfirma. An den aufgereihten Computern sitzen junge Webmanager, Programmierer und Marketingleute in coolen Klamotten von Gap oder neuen einheimischen Marken. Sie essen Donuts oder Muffins, und vor ihnen steht eine Warmhaltetasse von Starbucks. „Junge Leute wollen wiederholen, was ich geschafft habe“, sagt der 38-jährige Gründer. Abends in der Suzie-Wong-Bar bestellt er sich dann ein Corona-Bier.

Li Ning setzt andere Prioritäten. „Chinas Mr Nike“ beherrscht mit seinen Turnschuhen ein Drittel des chinesischen Marktes. Auch er ist ein Vorbild für die ehrgeizige Jugend des Landes, weil er es erst als Weltklasseturner, dann als Selfmade-Unternehmer geschafft hat. Doch zählbarer Erfolg reicht Li nicht. Ihm ist wichtig, „dass die Regierung das Problem wachsender Ungleichheit erkannt hat“. Zwar seien die Chinesen heute ein offenes Volk, als Konsumenten hätten sie bereits ein starkes Qualitätsbewusstsein entwickelt. „Aber die Moral muss erst noch zur Gewohnheit in unserer Gesellschaft werden.“

25 Jahre Boom und kein Ende

Zwei Unternehmer – zwei Botschaften. Der eine präferiert die radikale Variante der Marktwirtschaft, der andere die soziale. Doch in einem Punkt sind sie sich einig: Chinas Kapitalismus absorbiere zwar westliche Einflüsse, werde aber ganz und gar eigenständig bleiben.

Im Zeitraffer, so wie Blumen in Naturfilmen erblühen, holt das Land die Entwicklung zur Industrienation nach. Die Kennzahl dafür ist acht. Nicht acht Bilder pro Sekunde, sondern acht Prozent Wachstum im Jahr. Seit 25 Jahren wächst die Wirtschaft durchschnittlich in diesem Tempo, und im laufenden Jahr legt sie noch schneller zu, obwohl im Frühling die Sars-Seuche herrschte. Für 2004 rechnen zwar viele Ökonomen mit einer Abkühlung, was in China immer noch sechs bis sieben Prozent Zuwachs bedeutet, aber die Experten der Investmentbank Goldman Sachs haben ihre Meinung schon revidiert: Sie erwarten für dieses Jahr 8,7 Prozent, fürs nächste 9,5 Prozent.

Wenn eine Wirtschaft mit acht Prozent wächst, verdoppelt sich ihre Leistung alle neun Jahre. Und das Volkseinkommen. Und der Konsum. Derzeit gibt es wenig Gründe, warum das Wachstum nicht ein weiteres Jahrzehnt und länger anhalten sollte, ohne dass es von der Inflation aufgefressen wird. „Alles ist noch unterausgelastet“, sagt der Ökonom Hu Biliang von der Akademie der Sozialwissenschaften in Peking. Jetzt, da die Regierung die innerchinesischen Umzugsbeschränkungen gelockert hat, streben junge Menschen zu Millionen in die Städte, um ihr Glück zu machen. Dieses Ersatzheer wird noch lange dafür sorgen, dass die Löhne nicht in die Höhe schießen. Auch an Kapital besteht kein Mangel. Gegenwärtig sparen die Chinesen über 30 Prozent ihres Volkseinkommens, während die Zentralbank mit ihren Devisenreserven von etwa 350 Milliarden Dollar einer Kapitalmarktkrise begegnen kann. Zwar ist der Immobilienmarkt in Peking und in Shanghai samt Umgebung überhitzt. Aber der Boom bewegt sich weiter – in all die Provinzstädte, die nun schnell zu „mittelgroßen“ Zentren von drei bis fünf Millionen Einwohnern wachsen und die berühmten Metropolen entlasten sollen.

Das alles sind gute Gründe für Optimismus. Es gibt einen besseren: Die nach wie vor allmächtige Kommunistische Partei hat sich dem Wachstum verschrieben. Sollte es abbrechen, versinkt China im Chaos.

Cao Yushu, stellvertretender Chef der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, leugnet das gar nicht. Die Mathematik der Reform, die er in aller Ruhe erläutert, ist atemberaubend. Über 100 Millionen Wanderarbeiter kommen derzeit vom Land in die Städte, um sich etwa als Tagelöhner auf dem Bau zu verdingen. Nur für die Erntezeit kehren die meisten nach Hause zurück. Zusätzlich gibt es auf dem Land noch rund 150 Millionen unterbeschäftigte Chinesen. Es werden immer mehr, weil die Landwirtschaft effizienter werden muss, damit einerseits die Löhne steigen können und andererseits billige Agrarimporte die heimischen Waren nicht verdrängen. Außerdem haben rund 14 Millionen Entlassene aus den Staatsunternehmen noch keinen neuen Job gefunden. Und ein beträchtlicher Teil der über 30 Millionen Staatsdiener in Behörden und Parteistuben gilt als überflüssig. „Die einzige Lösung ist eine weitere schnelle Entwicklung“, sagt Cao. Im Jahr kämen noch zehn Millionen junge Arbeitskräfte hinzu, davon über zwei Millionen Hochschulabsolventen. Bei acht Prozent Wachstum werde die nachrückende Jugend gerade so mit Arbeitsplätzen bedient – die übrigen 250 Millionen Jobsuchenden noch nicht.

Gnadenloser Pragmatismus

Um den rasenden Zug auf dem Gleis zu halten, verfolgt die Partei die Strategie des gnadenlosen Pragmatismus. Egal, ob eine Katze weiß oder schwarz sei, Hauptsache, sie fange Mäuse, sagte Deng dazu. Noch immer gilt das Wort der Partei alles, aber es wird ständig der kapitalistischen Realität angepasst.

Nur das Reformtempo ist innerhalb der Regierung umstritten. Mit dem neuen Präsidenten Hu Jintao und seinem Premier Wen Jiabao regieren ehemals überzeugte Kommunisten das Land, die sich unter Dengs Einfluss zu zentralstaatlich denkenden Marktwirtschaftlern entwickelt haben. Ihnen ist das Wachstum wichtig, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und das Einkommen der Bauern.

Minister Fu Zhihuan, ein Ingenieur, der als junger Mann in Deutschland gearbeitet hat, gehört zu dieser Pekinger Garde. „Wir haben bisher 133 Wirtschaftsgesetze erlassen“, sagt er. Aber ein unabhängiges Rechtssystem, wie es sich nicht nur Regimekritiker, sondern auch ausländische Investoren wünschen, kann er sich nicht vorstellen. „Das Rechtssystem steht unter Führung der Partei“, stellt er würdevoll fest.

Dagegen sieht Zhang Junkuo die Rechtsstaatlichkeit bereits in der gegenwärtigen Reformpolitik angelegt. Dem jungen Direktor für Marktwirtschaft am Entwicklungs- und Forschungszentrum des Staatsrats, Chinas höchstem Regierungsorgan, merkt man an, dass ihm alles noch zu langsam geht. Er gehört zur neuen Generation brillanter Analytiker, denen es an Argumenten für eine Radikalkur nicht fehlt. „Wir brauchen Gesetze im Einklang mit der Marktwirtschaft“, sagt der Ökonom, der für die Weltbank in Washington gearbeitet hat. Fragt man ihn nach den drängendsten Reformen, nennt er ein modernes Bilanzrecht, damit man endlich die guten von den schlechten Staatsbetrieben unterscheiden könne – und eine „unabhängige Kreditaufsicht. Die Regierung hat viele Informationen, aber die meisten sind manipuliert.“

So viel weiß man doch: Die vier großen Staatsbanken, die mehr als drei Viertel aller Spareinlagen kontrollieren, leiden unter faulen Krediten. Deren Höhe ist allerdings schon wieder fraglich. Es sind 240 bis 400 Milliarden Dollar, je nachdem, ob man die Regierung fragt oder unabhängige Experten. Die allermeisten dieser Schulden gehen auf das Konto von Unternehmen in Staatshand.

175000 öffentliche Firmen gebe es insgesamt noch, sagt Zhang Junkuo, von denen im Jahr 2001 nur 48 Prozent profitabel gewesen seien – neuere Zahlen hat er nicht. Vor allem die öffentlichen Industriebetriebe litten Not. In ihnen hätten nach wie vor örtliche Parteifunktionäre das Sagen, die sich gegen jede Art von Strukturwandel wehrten. Manager, die etwas von Profit verstehen, müssten die Entscheidungsmacht erhalten. Kleine Firmen müssten schnell verkauft werden, um Kapital frei zu machen für die angeschlagenen Kolosse. Die müssten so weit fit gemacht werden, dass private Investoren einen Anteil an ihnen übernehmen wollen. Und was geschieht dann mit den Arbeitern? „Wir brauchen echte Gewerkschaften, die als Vermittler der Arbeiterinteressen dienen“, entgegnet der Beamte – und bricht somit das neben der Demokratiefrage wichtigste Tabu im Einparteienstaat.

Ruhrgebiet in der Mandschurei

So weit gehen die regierungsinternen Diskussionen also schon. Am Horizont leuchtet ein noch offeneres, fortschrittlicheres China auf. Doch wie weit es bis dahin noch ist, entdeckt man jenseits des Küstenstrangs, der sich von Peking im Norden über Shanghai bis nach Hongkong im Süden spannt. Chinas Ruhrgebiet liegt im Nordosten, in der an Bodenschätzen reichen Mandschurei. Hier leidet ein Dutzend Millionenstädte unter einer Arbeitslosigkeit von über 50 Prozent. Deshalb kommt es in den alten Industriezentren Shenyang, Anshan oder Daqing in schneller Folge zu Streiks und Protesten. Bisher besänftigen lokale Parteikader die Aufständischen mit Sonderzahlungen, während sie deren Rädelsführer verhaften lassen. Die Strategie geht aber nicht auf – die verbotene Opposition des Landes, die Demokratische Partei, deren Mitglieder verfolgt und mitunter gefoltert werden, hat im Nordosten ihre stärksten Wurzeln.

„Es ist eine Schande für die Nation, dass sich niemand mehr um die normalen Bürger kümmert“, sagt ein Elektroingenieur aus der 6-Millionen-Stadt Shenyang, der früher für die Opposition im Untergrund arbeitete. Sein Wohnviertel verwandeln Arbeitslose und Bauern von außerhalb der Stadt tagsüber in einen einzigen riesigen Marktplatz. Werkzeug, Plastikspielzeug, Winterkleidung, Dienstleistungen – jeder bietet etwas an, weil er sonst nicht genug zum Leben hat.

Meistens ist es indes weniger die Armut, die Bürger zur Verzweiflung treibt. Dengs Wort zur Ungleichheit wurde auch im Nordosten verinnerlicht, niemand erwartet Mitleid. Die meisten wissen, dass die Shenyanger Industrie hoffnungslos veraltet ist. Was sie aufbringt, ist die offensichtliche Korruption unter Parteikadern. Dass kürzlich der Provinzgouverneur wegen Bestechlichkeit seinen Posten räumen musste, ist nur ein kleiner Erfolg. In der Stadt kreuzen Hunderte geschmuggelter Luxus-Limousinen. Jede einzelne von ihnen, so muss man vermuten, ist mit einem Bestechungsakt verbunden. Dass nun BMW hier investiert, freut die Kader, ändert aber wenig am Gesamtbild. Transparency International, die weltweit tätige Organisation im Kampf gegen Korruption, stützt die Anschauung mit Zahlenmaterial: Im globalen Bestechungsindex 2003, der die saubersten Staaten zuerst führt, steht China auf Rang 66 – gemeinsam mit Panama.

Der chinesische Frühkapitalismus entwickelt sich rasend schnell, und die Zentralregierung muss sehen, wie sie die entstehenden Probleme quasi im Vorbeifahren löst. Korruption ist nur ein Problem auf ihrer Agenda, mit der sie – unterstützt von Aufrufen in allen Staatsmedien – die Menschen und die Marktwirtschaft zivilisieren will. Vorsichtig weitet sie das rudimentäre Sozialsystem aus. Für die Städter baut sie eine Arbeitslosenkasse auf. Ganz oben auf der Prioritätenliste aber stehen die Bauern, die pro Kopf nur auf ein Drittel des durchschnittlichen Jahreseinkommens von rund 1000 Dollar kommen. Steuererleichterungen und verbilligte Kredite sollen sie davor bewahren, tiefer in die Armut zu sinken. Da bleibt wenig Kraft, um sich auf die Jahre nach 2020 einzustellen, wenn China infolge seiner Ein-Kind-Politik das größte je dagewesene Rentenproblem zu lösen hat.

Schon heute hat der Staat zu wenig Geld. Zwar steigen dessen Einnahmen schnell – aber nicht so schnell wie die Ausgaben. Betrug das Haushaltsdefizit vor fünf Jahren noch unter einem Prozent der Wirtschaftsleistung, waren es vergangenes Jahr rund drei Prozent. Der Staat müsse dafür sorgen, dass künftig alle Bürger und Firmen die vorgeschriebenen Steuern bezahlten und nicht bloß einen Teil – dafür müsse aber auch deren Eigentum besser als heute geschützt werden, sagt Turnschuhfabrikant Li Ning. Arrivierte Unternehmen wie das Seine wollen vor allem die Kopierwut von Jungunternehmern zügeln. Heute wird so ziemlich alles illegal nachproduziert, angefangen von DVDs über sämtliche Geräte für Küche und Wohnzimmer bis zu Autos und Flugzeugersatzteilen.

Immer mehr Geld muss das Land für Energie aufwenden. Einige deutsche Unternehmen hätten schon unter längerem Stromausfall gelitten, berichtet der Chef der Deutschen Handelskammer in Peking, Jörg Wuttke. Er hat sich das Problem genau angeschaut und weiß: Der Importanteil für Öl steigt unaufhörlich, von derzeit 24 Prozent auf rund 50 Prozent im Jahre 2010. Deshalb kauft sich China derzeit in Asien und Afrika allerorten in die Ölförderung ein – zu überhöhten Preisen. Energie muss nicht nur gekauft, sondern auch gespart werden. Nicht einmal ein Prozent der Häuser im Land gilt als energieeffizient. Schon heute ist China der zweitgrößte CO2 Emittent der Erde. Autos verpesten die Luft derart, dass über Peking meistens eine Dunstglocke hängt. Viele Fabriken behandeln Energie noch als freies Gut.

Man kann sich leicht in die gigantischen Probleme des Landes hineinsteigern, doch den Chinesen selbst liegt nichts ferner. Nach einer Umfrage von Gallup International sagten Anfang des Jahres 90 Prozent der Chinesen, die Welt entwickle sich in die richtige Richtung. Nur 13 Prozent der Deutschen antworteten ebenso.

Lernen mit Walt Disney

Wachstum wirkt Wunder. Schon heute schöpft China mehr Direktinvestitionen aus der Welt ab als jedes andere Land – dieses Jahr wahrscheinlich mehr als 60 Milliarden Dollar. Und ein wachsender Teil des Kapitals geht schon über die Küstenregionen hinaus in arme westliche Provinzen. In der mandschurischen Hafenstadt Dalian wird gerade ein kleines Silicon Valley für hochwertige Computerdienstleistungen errichtet, damit junge chinesische Online-Arbeiter auf diesem Weltmarkt mit den Indern konkurrieren können. Schon heute produziert China mehr Mountainbikes, Mikrowellen und Mobiltelefone als jede andere Volkswirtschaft. Im Schiffbau soll die Führung bald erreicht werden, in der Autoproduktion wird die 1,3-Milliarden-Nation bald zu Deutschland aufschließen.

2005 könnte das Reich der großen Zahlen schon der größte Importeur der Weltwirtschaft sein. Der Konsum wächst nicht nur schnell, er ändert auch die Richtung. Im Jahr 2000 war der VW Passat noch das Nonplusultra in Sachen Auto-Status. Heute wirke das Modell altmodisch, die Yuppies kauften Autos mit mehr „Glamour“ wie den Buick Excelle, sagt Jian Xu, der Autoexperte bei Roland Berger in China. Und wenn sie es sich leisten könnten, wollten sie importierte Autos und keine im Land per Joint Venture gefertigten mehr – Schluss mit der Zweitklassigkeit. Die Konzernstrategen müssen sich sputen, um dem Geschmack der Chinesen auf der Spur zu bleiben. Die Eisfirma Häagen-Dazs, die in China für eine Portion Eiscreme umgerechnet drei Euro und mehr nimmt, kommt in den Großstädten schon an. Und die US-Kaffeekette Starbucks hat einen kleinen Laden im Allerheiligsten der chinesischen Geschichte eröffnen dürfen, in Pekings Verbotener Stadt.

Viele Städter sparen für eine Privatwohnung in den hohen Apartmenthäusern, die an jeder Ecke entstehen. Die schwedische Möbelkette Ikea und die deutsche Baumarktkette Obi öffnen gerade eine ganze Reihe neuer Geschäfte im Land. Neben aller Konsumlust investieren chinesische Eltern in die Ausbildung der Kinder. Vielerorts bezahlen Bauern die Hälfte ihres bescheidenen Jahreseinkommens für Schulgebühren, und Städter geben ein Monatseinkommen aus, damit das Kind mit einem Laptop zur Schule gehen kann. Auch der Bildungsmarkt wächst in China besonders schnell. Westliche Medienkonzerne verkaufen nicht nur Mickey Mouse und Lara Croft, sondern zunehmend Lehrbücher und digitale Lernprogramme wie das Magic-English-Paket von Disney. Und Spitzenunis aus den USA und Europa konkurrieren jetzt um die beste Ausgangsposition im Markt für Managementstudien. Der deutsche Ökonom Rolf Cremer, Vize-Chef der China European International Business School in Shanghai, unterrichtet chinesische Manager, die sich auf den nächsten Karrieresprung vorbereiten. Umgerechnet 12000 Euro müssen sie für ein Vollzeitprogamm zum Master of Business Administration (MBA) bezahlen. „Die chinesischen Studenten sind fleißig und wissbegierig“, sagt er. Weil sie im Kommunismus keine Gelegenheit hatten, die Grundbegriffe der Ökonomie aufzuschnappen, müssen sie mehr Basiswissen sammeln als westliche Studenten. Sie tun es eifrig.

China strebt danach, so zu werden, wie Shanghai heute schon ist. Die 16-Millionen-Stadt südlich der Mündung des Jangtse-Flusses ist weltläufig. Mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 2340 Dollar ist sie relativ wohlhabend – und sie boomt. Bunte Hochhäuser wachsen in den Himmel, so weit man aus der Lobby des höchsten Hotels der Welt, des Grand Hyatt, schauen kann; das französische Viertel und die Kolonialbauten im ehemaligen Geschäftsviertel an der Uferstraße Bund verleihen der Stadt europäisches Flair. Hier hat statistisch schon jeder Zweite ein Handy, und keine Stadt der Welt dürfte mehr Baustellen haben. Rund 30000 ausländische Firmen sind hier vertreten, fast 20 Prozent der ausländischen Investitionen in China gingen vergangenes Jahr in diese Stadt.

Shanghai ist der unbekümmerte, geschäftstüchtige, lebenshungrige Gegenpart zum ernsten, grauen, mit Plattenbauten durchsetzten Peking. Kann sich in dieser Stadt, die sich dem Turbokapitalismus verschrieben hat, noch so etwas wie Solidarität halten – mit anderen Bürgern der Stadt und den anderen Teilen des Landes? Werden die bunten Hochhäuser mit den Asphaltplätzen und Straßen zwischen ihnen nicht automatisch zu den Slums von morgen?

Asiatische Internet-Kultur

Nein, sagt Jiao Yang. Die Ausländern als „Madam Jiao“ vorgestellte Sprecherin der Stadt schwört auf den besonderen Gemeinsinn in China. Sie erzählt, wie dort, wo sie wohnt, ein Bürgerkomitee die gegenseitige Hilfe organisiert. Jüngere würden Älteren beim Einkauf oder in der Wohnung helfen – im Vertrauen darauf, dass ihnen später auch geholfen wird. Frau Jiao selbst haben die Nachbarn von den Hilfsdiensten entbunden, sie sehen sie oft im Fernsehen und wissen also, wie beschäftigt das neue Gesicht Shanghais ist. Aber überall in der Stadt gäbe es diese Nachbarschaftskultur, sagt die Sprecherin – eine chinesische Tradition, die sich halten werde. Ihre Hypothese steht vor einem harten Test. Überall in der Stadt werden alte Häuser eingerissen, Bewohner umgesiedelt oder einfach hinausgeschmissen, um Platz zu schaffen für die neue Mittelschicht und ihren Drang zu mehr Lebensqualität. Die neuen Unterschiede werden zementiert.

Und doch: Die Mächtigen in China glauben fest daran, dass bei ihnen ein eigener Kapitalismus entsteht, der sich nicht allen westlichen Entwicklungsmustern fügen muss. „China ist ein Land, in dem der Glaube an die Gleichheit der Menschen fortbestehen wird“, sagt Li Ning, der Schuhhersteller. „Wir müssen lernen“, sagt Charles Chang, der Dotcom-Gründer. Das Internet beschleunige den Aufholprozess, zugleich entstehe in ihm eine „spezifisch asiatische Netzkultur“ mit ihren besonderen Schriftzeichen. „Wir absorbieren westliche Kultur, aber unsere Kultur ist nicht westlich.“ Wie dem digitalen China soll es dem ganzen Land gehen: „In 100 Jahren werden wir auf unsere Zeit als die eigentlich revolutionäre Periode Chinas zurückblicken.“

Selbstvertrauen ist keine Mangelware mehr. Junge einheimische Manager schimpfen auf deutsche Unternehmen, weil sie fast ausschließlich Männer aus der Heimat an die Spitze ihrer chinesischen Tochterfirmen setzten. Für sie ist die Zeit vorbei, in der China bloß als billige Werkbank herhielt. Sie wollen Einfluss nehmen mit ihren Produkten, ihren Entscheidungen, ihrer Kultur.

China, sagt Rolf Cremer, „das bedeutet große Zahlen“. Heute sei die Weltwirtschaft amerikanisiert. Und morgen? In Europa denke kaum jemand über Chinas künftigen Einfluss auf die Welt nach – „und wenn, dann nur als Bedrohung“.

 
 
 
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